Leszek Cichowski

Reetdachdecker

Der Aufbau

Ein Reetdach kann traditionell als Kaltdach (mit Hinterlüftung) ausgeführt werden, früher wurde das Reet- oder Strohdach ohne Hinterlüftung als Warmdach konstruiert. Dabei kam die hervorragende Isolationswirkung des Baustoffes Schilf zum Tragen: Aufgrund der geringen Rohdichte von Schilf sorgt Reet für guten sommerlichen Wärmeschutz und gute Wärmedämmung im Winter. Im Zuge moderner Bautechniken haben sich die Reetdächer allerdings ihrem Unterbau angepasst und werden heutzutage mit Hinterlüftung (gemäß DIN 4108) als Kaltdach gebaut. Die Hinterlüftung führt entstehende Feuchtigkeit ab und sorgt so für eine höhere Lebensdauer des Reetdaches.

Die korrekte Ausführung muss einige Anforderungen und Parameter einhalten. Reetdächer sollten eine Dachneigung von über 45° haben. Die hohe Dachneigung ist erforderlich, damit die einzelnen Wassertropfen von Halm zu Halm gleiten können. Bei einem funktionierenden Reetdach wird so nur die oberste Schicht der Dachdeckung durchfeuchtet. Reetdächer haben als konstruktiven Bautenschutz einen großen Dachüberstand (Traufüberstand) von mindestens 50 cm, da keine Regenrinne das Wasser abführt, tropft es in ausreichendem Abstand zum Mauerwerk ab und versickert in einem Kiesbett oder wird durch eine Rinne abgeführt. Der Schornsteinaustritt muss laut Feuerungsverordnung (FeuVO) mindestens 0,8 m über dem First liegen.

Der First des Reetdaches ist von Region zu Region unterschiedlich gefertigt. In Regionen, in denen Heidekraut wächst, wird dieser mit Heidekraut gedeckt. In den Niederlanden, Flandern und Frankreich sind Tonkappenfirste (in naturrot gebrannt oder taubengrau gedämpft) üblich. In Nordfriesland ist der Grassodenfirst zu finden und in den skandinavischen Ländern sowie der Region Kappeln/Flensburg Hängeholzer (Eichenholzreiter), die auf einer Seegrasschicht hängen.

Verarbeitung

Ein Reetdach kann auf drei verschiedene Arten hergestellt werden: als geschraubtes, genähtes oder gebundenes Dach. Das Reet wird in geschnürten Bündeln geliefert, auf den Dachlatten verteilt und dann so verschoben, dass die unteren Reethalmenden eine schräge einheitliche, durchgehende Fläche bilden. Die Wurzelenden des Schilfs zeigen zum Boden. Die erste Schicht, die sog. Traufschicht wird unter Spannung durch die Bindung am Dach gehalten. Die Spannung erhält die Deckung dadurch, dass die Auflagekante an der Traufe (Kniep) fünf bis sieben Zentimeter höher liegt als die Dachlattenebene. Bei den gebundenen und den geschraubten Dächern wird ein Haltedraht (Schacht) auf die zirka ein Meter breiten und 10-20cm starken Lagen gelegt und mit durch einen geschraubten oder gebundenen Draht auf die Lage gedrückt. Mit dem Klopfbrett werden die Lagen hochgeklopft und in Form gebracht. Dies wird Lage für Lage bis zum Erreichen des Dachfirsts fortgeführt, durch das überdecken der einzelnen Lagen liegt die Bindung in der Mitte der Deckschicht. Das genähte Reetdach kommt ohne Haltedraht aus und ist aufwändiger zu verarbeiten.

Lebensdauer eines Reetdaches

Ein Reetdach hält im Durchschnitt 30 bis 50 Jahre, es sind aber auch Dächer dokumentiert, die über 100 Jahre alt wurden. Die Lebensdauer eines Reetdaches ist von unterschiedlichen Kriterien abhängig:

  • Form und Ausführungsdetails (zum Beispiel Dachneigung, Anzahl der Gauben, Halmneigung)
  • Belüftung des Reetdaches (Lüftungsgewohnheiten der Bewohner)
  • Konstruktion des Daches (traditionell hinterlüftet, oder nicht hinterlüftet)
  • Garantie und Qualität des verwendeten Dachreets (Einbaufeuchte)
  • Lage des Reetdaches (Lage des Reetdaches im Gelände, in der Region)
  • Pflege und Wartung des Reetdaches (Regelmäßige Pflege und Reparatur)

Unter den Fachleuten herrscht derzeit eine rege Diskussion darüber, ob Kupferprodukte, zum Beispiel Bindedrahte aus Kupfer oder quaternäre Ammoniumverbindungen zur Pflege eines Reetdaches eingesetzt werden können, um die Haltbarkeit und somit die Lebensdauer eines Reetdaches zu verlängern.